Rede des Vorsitzenden der Otto-Brenner-Akademie Andreas Gehrke
Liebe Freundinnen und Freunde,
liebe Kollegen und Kollegen,
sehr geehrte Damen und Herren,
von hier aus, vom Bahnhof Fischerhof, wurden am 15. Dezember 1941 die ersten 1001 Jüdinnen und Juden nach Riga deportiert. Dort sperrte man sie am 18. Dezember in das zuvor geräumte Ghetto. Die bisher dort lebenden lettischen Juden und Juden waren vorher ermordet worden. Von den 1001 Deportierten überleben nur 69. Sechs weitere Transporte bis 1944 erfolgten von diesem Bahnhof aus nach Ausschwitz, Theresienstadt und ins Warschauer Getto.
Wir wollen aber heute nicht nur der deportierten Frauen, Männer und Kinder gedenken, sondern wir sind hier bewusst am 16. März zusammengekommen, um gegen den seit 1991 alljährlich am 16. März in Riga stattfinden Marsch zu Ehren der lettischen Verbände der Waffen-SS zu protestieren.
Am 16. März 1944 gewannen die beiden lettischen SS-Divisionen bei Leningrad ein Gefecht gegen die Sowjetarmee. Dieses Datum wird nun alljährlich für eine der größten regelmäßigen Demonstrationen in Europa zur offenen Ehrung von Nazitätern genutzt.
Die Demonstranten, Veteranen, ihre Nachfahren und Sympathisanten sehen in den Nazi- Kollaborateuren lettische Freiheitskämpfer gegen die Sowjetunion. Sie seien zwangsrekrutiert beziehungsweise als Wehrpflichtige ausgehoben worden. Vehement wird bestritten, dass es sich bei den 40.000 Soldaten größtenteils um Freiwilligenverbände gehandelt hat. Die Verbrechen der lettischen SS- Verbände, zum Beispiel ihre Beteiligung an der Ermordung von etwa 70.000 lettischen Jüdinnen und Juden wird bis heute verharmlost.
Nur noch wenige SS-Veteranen sind dabei, dafür umso mehr junge Rechtsradikale, die offen Nazisymbole tragen, wie zum Beispiel Hakenkreuze am Ärmel ihrer schwarzen Jacken. Unter ihnen sind auch Esten, Litauer, Polen, Ukrainer und Deutsche.
Ein massives Polizeiaufgebot schätzt den SS-Marsch. Sie unterbinden Gegenproteste mit Platzverweisen. Deutsche Gegendemonstranten werden an der Grenze an der Einreise gehindert.
Die Gegner der Nazis in Riga scheinen resigniert. Umso wichtiger ist deshalb die Unterstützung durch die Demokratinnen und Demokraten in anderen Ländern.
Die Otto-Brenner-Akademie wird dies deshalb zum Schwerpunkt ihrer Aktivitäten in diesem und dem nächsten Jahr machen. Thematisch wird das alljährlich am 8. November stattfindende Brenner-Abendroth-Forum darauf ausgerichtet sowie der Jahrestag der ersten Deportation am 15. Dezember einbezogen. Ziel ist eine größere Veranstaltung am 16. März 2020 unter Einbeziehung von Bündnispartnerinnen und -partnern aus Hannover sowie Bremen und Rostock, den beiden Partnerstädten Rigas.
Andreas Gehrke
Vorsitzender der Otto-Brenner-Akademie
Mit Hakenkreuz und SS-Totenkopf: Gedenken an Waffen-SS in Riga 2019
https://www.youtube.com/watch?v=yEyun6AQxIg
https://jfda.de/blog/2019/03/16/gedenken-an-waffen-ss-in-riga/
Bildquellen / Copyright:
- Gedenkveranstaltung im Frühjahr am Bahnhof Fischerhof: Walter Fabian
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